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an die verspielt waghalsigen Materialcollagen von Albert Wigand, an die lyrische Gestimmtheit der „Nadelmalereien“ von Agathe Böttcher und aktuell an die magisch strahlenden Scherenschnitte und Papiercollagen von Christiane Latendorf.
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Gerade vor dem Hintergrund dieser Tradition wird die Eigenständigkeit der Katharina Kretschmer und ihrer Kunst deutlich. In ihre Collagen fließen neben unzähligen Papiersorten und -dekoren auch eigene Produkte aus anderen bildkünstlerischen Techniken mit ein und verleihen damit einzelnen Werkkomplexen, Themengruppen oder auch Schaffensphasen ihren ureigenen Charakter. Zu den geläufigen und meistenteils papiernen Ingredienzien gesellen sich Ausschnitte aus Druckgrafiken wie Kaltnadelradierungen oder Holzschnitten, teilweise auch Fragmentevon Kohle- oder Tuschzeichnungen, schließlich immer wieder Versatzstücke aus in Mischtechnik auf Papier gemalten Bildern.
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Diese zerschneidet und fragmentiert sie dann, um sie mit traumwandlerisch anmutender Sicherheit neu zu fügen, mit anderen dekorativ gemusterten Papieren zu paaren und in wachsenden Schichtungen zu seltsam innigen Bildern verwandelt wiedererstehen zu lassen. Die überwiegend mit der Schere zugeschnittenen Elemente bilden kantige, bisweilen spröde Konturen aus, die eine scharfe Grenze zwischen Raum und Figur reißen. Die herausgetrennten Flächen driften wie schwimmende Schollen auseinander und aneinander vorbei, bis sie in einem genialen Moment, in einer Art schicksalhafter Fügung wieder aneinander geraten und vollkommen neue, so vorher nicht dagewesene, so vielleicht noch nicht einmal gedachte Formen hervorbringen. Hierin zeigt sich die Künstlerin äußerst virtuos und in scheinbar unendlichen Abwicklungen spielt sie immer neue Varianten durch. Das einmal gefundene Motiv, eine Figur, eine Bildmetapher, wird immer weiteren Metamorphosen ausgesetzt, bis es sich mehrfach gewandelt und verfremdet - als Dasselbe und doch nicht mehr Dasselbe - auf einer neuen Ebene wiederfindet, wo sich dem Betrachter neue Wahrnehmungshorizonte erschließen.
Immer wieder ist es aber der Mensch, für den Katharina Kretschmer einen adäquaten Ausdruck sucht. Mit reduzierten, bisweilen groben Zügen teilt ihre Linie den Raum, umschreibt die Figur, ihre Haltung, ihre Mimik, schält ihren archaischen Kern aus den Hüllen des Zivilisatorischen und bleibt trotz allen Behauptungsdranges dabei doch in gewisser Weise fragil und verletzlich. Fragend nach der Möglichkeit von Schönheit, von Vollkommenheit und Ganzheit in einer wenig vollkommenen Welt. So wird der Mensch aller überflüssigen und verschleiernden Überformungen und Masken ledig und bis auf seinen existenziellen Kern entkleidet. – Das ist letztlich das Überraschende, dass wir uns trotz all dieser betörend schönen Dekore und Farbflächen, der faszinierend schillernden Texturen und Muster, letztendlich nackt in ihren Bildern wiederfinden, gekleidet in eine Blöße, die uns für Andere erkennbar werden lässt als dieselben Gebeutelten, dieselben Sehnenden und Glücksberauschten, dieselben Verletzten und Gestrandeten
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„Homo sapiens“ - kaum zufällig hat Katharina Kretschmer ihren Werkkatalogen diesen Titel vorangestellt und damit den Menschen als Hauptmotiv und Motivation ihrer Arbeit benannt. Sie formt in ihren Collagen und Gemälden, Radierungen und Holzschnitten ein Bild vom Menschen, gibt seine Gestalt, sein Antlitz wieder, zeigt sein Leiden, seine Affekte und nicht zuletzt seine stupende Schönheit. Sie thematisiert Grundthemen und Dilemmata des menschlichen Daseins, macht Zustände wie Liebe, Glück und Geborgenheit, aber auch Schmerz, Isolation und Trauer in eigenen Bilderfindungen erfahrbar. Sie zeichnet die Spuren von erfüllten und unerfüllten Beziehungen in der Familie und in der Liebe nach, wobei Erotisches und Lustvolles ausdrücklich nicht ausgespart bleibt. Dabei kann die starke sinnliche Ausstrahlung ihrer Bilder in den erotischen Darstellungen bisweilen bis an die Grenze des dunkel Triebhaften geführt werden.
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Ihr besonderes Augenmerk gilt der Darstellung der Frau. Sie gibt den großen weiblichen Hauptrollen der Menschheits-geschichte ein Gesicht, verleiht weiblichen Figuren aus Mythos und Literatur in ihren Bildern Gestalt. So erstehen Eva und Salome wieder, Antigone und Kassandra erwachen zu neuem Leben. Sophie Scholl schaut auf uns und wird dem Betrachter plötzlich zu einem spürbar emotionalen Gegenüber. Katharina Kretschmer tastet die Bruchlinien und Narben weiblicher Emanzipation und Selbstbehauptung ab und widersteht dabei konformistischen Schönheitsidealen ebenso, wie sie sich eben nicht auf ein eurozentristisches Frauenbild westlicher Prägung festlegen lässt.
m einen derart weit gespannten Kosmos darstellen zu können, angefangen von den Ergründungen der menschlichen Seele, weiter über die von Liebe und Leidenschaft erzählenden, bis hin zu den als
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politischer Protest formulierten Bildern, braucht es eine autarke und zugleich auch variable Sprache. Die Künstlerin hat auf dem Weg dorthin eine Handschrift ausgebildet, die mit den Mitteln formaler Reduktion und Montage eine klar konturierende Figurenzeichnung mit der Kombination disparat strukturierter Flächen verbindet.
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Auf diese Weise wurde die Collage zu ihrem wesentlichen Ausdrucksmittel. Diese Technik gewährt einerseits eine spielerisch auslotbare Variabilität, nötigt andererseits aber auch zu Klarheit und Strenge, die zum Kern jedes wahrhaft bildnerischen Schaffens führen. In der jüngeren Dresdner Kunstgeschichte bieten sich zahlreiche Vorbilder und Vergleiche an. So ist zu denken an die experimentierfreudigen Collagen von Annemarie Balden-Wolff und Willy Wolff, an die wundersamen Textilcollagen von Edmund Kesting,
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